“Anoonehla yan Dereshke yan mn Doorehla sleeta…“ klang das Lied von Sonia Odisho in meinem Kopf als ich in der Tür der Dorfhalle von Dooreh in Barwar stand, auf die Berge schaute und mir wieder einmal bewusst wurde, dass ich tatsächlich zuhause bin, erinnert sich Robina Lajin. Vom 15. März bis zum 15. April durften wir mit der Organisation Gishru in den Nordirak reisen und in Ost-Assyrien nicht nicht nur Akitu feiern, sondern wurden auch mit den Folgen des Krieges konfrontiert. Wir sahen berühmte Orte und antike Stätte, trafen Politiker*innen und Aktivist*innen und was am Schönsten war: Wir lernten jede Menge jugendliche Assyrer*innen kennen, die dort leben.
In Erbil angekommen, wurden wir so herzlich und freundlich von den Anderen empfangen, dass meine Bedenken bezüglich der Verständigung mit den anderen Teilnehmenden schnell verflogen waren.
Am gleichen Abend wurden wir zu einer Begrüßungsfeier von der Studierendenvereinigung eingeladen. Im Verlauf dieses Abends verflüchtigten sich auch immer mehr meine Ängste über die sprachliche Barriere. Es war nicht einfach doch durch die herzliche und offene Art gelang es uns einander zu verstehen. Je länger ich mich mit den Menschen dort unterhielt, fielen mir die Gemeinsamkeiten sowohl in unserer Sprache als auch in unseren Traditionen auf und ich fühlte mich schon sehr heimisch.
Die ersten Tage verbrachten wir in Arbaello (Erbil). Mit ihren vielen Kirchen, dem Syriac Heritage Museum und den archäologischen Stätten ist der Stadtteil Ankawa ein schöner Ort für Assyrer*innen. An jeder Ecke hört man die unterschiedlichsten Dialekte unserer Sprache und fühlt sich niemals fremd.
Mit dem Etuti Institute ging es nach Sarsing, einem Dorf im Sapna-Tal. Dort veranstalteten wir das jährlich stattfindende Etuti Annual Leadership Program (EALP), bei dem sich assyrische Jugendliche aus dem Irak, aus Syrien und der ganzen Welt zusammenfanden, um mehr darüber zu lernen, was eine Führungskraft ausmacht und wie man richtig kommuniziert. Dieses Jahr haben wir für Sarsing dringend benötigte Küchengeräte besorgt und in Dehe, dem Nachbardorf, mit den Bewohner*innen zusammen einen Wasserkanal gelegt, damit auch weiter entfernt liegende Felder bewässert werden können. 75 Jugendliche aus Niniveh, Nohadra (Dohuk), Erbil und aus Syrien, von unterschiedlichen Organisationen und Kirchen, mit verschiedenen Dialekten kamen zusammen, um miteinander und voneinander zu lernen. Eine Art der Einheit wie ich sie mir überall wünsche und vorstelle.
Am Tag darauf reisten wir von Erbil nach Nohadra (Dohuk), um dort an der großen Akitu Parade teilzunehmen. „Das war eines meiner schönsten Erlebnisse auf meiner Reise. Ich durfte zum ersten Mal in meinem Leben eine assyrische Tracht anziehen und lief mit Tausenden von Assyrer*innen am 1. April durch die Straßen. In diesem Moment erfüllte sich ein Kindheitstraum und ich war so überglücklich.“, erzählt Ornina. Selbst der Regen an diesem Tag konnte uns das Lächeln nicht rauben. Der ganze Tag war gefüllt mit Patriotismus und Liebe zur Herkunft.
Ein weiterer Höhepunkt war der Besuch von den assyrischen Schulen Akitu, Nsibin und Bahra, in denen wir sahen, wie die Kinder in ihrer Muttersprache assyrisch unterrichtet wurden. Die Schuldirektor*innen erklärten uns, dass sie lange für diese Schulen mit der Regierung verhandeln mussten. Die kurdischen Lehrpläne und ihre Geschichtskunde, müssen sie jedoch strikt einhalten.
Mich beeindruckte sehr, dass die Kinder von klein auf vier Sprachen lernen, Assyrisch, Englisch, Arabisch und Kurdisch. Damit sie ihre Identität und ihre Heimat unter der Regierung nie vergessen, bringen die Lehrer*innen ihnen alte assyrische Lieder über ihre Heimat und Nation bei. Diese präsentierten die Kinder uns mit voller Leidenschaft.
Als nächsets fuhren wir in die Niniveh-Ebene und schauten uns die Stadt Baghdede. Überall konnte man die Spuren der Verwüstung sehen, die der IS hinterlassen hatte. Doch die Menschen waren in ihre Heimatstadt zurückgekommen und bauten sie wieder auf. Der Markt war voller Leben, die Wände waren voller Farbe und auf den Gesichtern der Menschen konnte man das ein oder andere Lächeln sehen.
In Zakho besuchten wir das Wahrzeichen von Gishru, die Brücke Pira Dalal über den Fluss Khabur. Gishru ist assyrisch und bedeutet Brücke. Die Sage zu dieser Brücke erinnerte mich sehr stark an die Sage von der Hano Kritho aus dem Tur Abdin. Wer weiss, vielleicht haben diese Sagen den gleichen Ursprung.
Bei einer keinen Feier am Abend in Barwar aßen, sangen und tanzten wir gemeinsam bis spät in die Nacht hinein. Die Sängerin Nagham Edwar Mousa, welche auch anwesend war, widmete Gishru ein Lied. Sie hat es selbst in den beiden Dialekten Madenhoyo (Ost-Dialekt) und Maceboyo (West-Dialekt) geschrieben. Das freute mich sehr, denn so baute sie eine Brücke zwischen beiden Dialekten und zeigte, dass es eine Sprache ist.
Alqosh eine wunderschöne Stadt in der Niniveh Ebene, in der bis jetzt ausschließlich Assyrer*innen lebten und war ein Stück Paradies auf Erden. Auf dem Berg Kloster St. Hormizo sahen wir auf eine unglaublich schöne Landschaft herab. Grüne Flächen, Steine, Höhlen und das Kloster zusammen ergaben eine atemberaubende Bildlandschaft. Auch die Altstadt begeisterte uns, da wir bislang die Handwerkerberufe, wie Schreiner, Schmied und Schneider in den Dörfern sehr vermisst hatten. In Alqosh wurden wir fündig. Wir besuchten eine kleine Schreinerwerkstätte, in der kleine Krippen, Stühle und Wägen aus Holz angefertigt wurden.
Wir beendeten unsere Reise da, wo wir angefangen hatten, in Erbil auch Arba ilo genannt, was so gut wie vier Götter heißt. Denn Erbil war im Zeitalter des Assyrischen Reichs ein religiöses Zentrum der Göttin Ishtar. Die letzten Tage genossen wir in Ankawa mit Freunden, die uns auf unserer Reise begleitet hatten. Freunde von der Etuti Stiftung, Freunde von der Studentenvereinigung und Freunde von ZOVAA. Wir tanzten, sangen, aßen und genossen die letzten Tage mit unseren neuen Freunden aus der Heimat. Gishru die Brücke von der Diaspora zur Heimat.
Ich habe so viel in diesen Tagen gelernt, gesehen und erlebt. Durch diese Reise ist mir wieder neu bewusst geworden, dass es sehr wichtig ist, Brücken zu schlagen und zusammenzuarbeiten. Wir verfolgen alle das gleiche Ziel, wir wollen unsere Kultur, Sprache, Traditionen, Kirchen und unser Land schützen. Wie es AJM bereits formuliert hat, „Einheit ohne Grenzen „– „Hdoyutho d’lo thume“, genau das sollte unser Fokus sein und für das werde ich mich nach diesem Erlebnis umso mehr einsetzen.