Die lange und historische Verfolgung und Vertreibung der Assyrer*innen, Armenier*innen und Griech*innen aus ihren angestammten Heimatgebieten durch die Türkei, findet auch im Jahr 2020 kein Ende. Allein die hamidischen Massaker und der Völkermord von 1915 im Osmanischen Reich sind schreckliche Beispiele dieser Vernichtungshistorie. Und auch heute sind die Ureinwohner*innen Anatoliens aufgrund ihrer nationalen und religiösen Zugehörigkeit von Leid geplagt.
Aktuell steht der Bergkarabach-Konflikt im medialen Fokus. Die Wurzeln des Konfliktes reichen auf eine Entscheidung Joseph Stalins im Jahr 1921 zurück. Der Bergkarabach oder Arzach (armenische Bezeichnung) wurde demnach als autonomes Gebiet dem sowjetischen Aserbaidschan zugeschlagen. Dies geschah gegen den Willen der dortigen Bevölkerung (damals zu etwa 94% armenisch), die weiterhin selbstbestimmt in ihrem historischen Gebiet leben wollte. Ziel der machtpolitischen Entscheidung der sowjetischen Führung war ein positives Verhältnis zur nicht-kommunistischen Türkei.
In den folgenden Jahrzehnten wurden Armenier*innen in Bergkarabach wiederholt Opfer von Unterdrückung, ethnischer Säuberung und Vertreibung. Der Wunsch der Bevölkerung, Teil des sowjetischen Armeniens zu sein, wurde in den 80er-Jahren abgelehnt. Als Folge des Unabhängigkeitsreferendums von 1991 (die Arzach-Armenier*innen erklärten sich übrigens nach dem gleichen geltenden Sowjetrecht für unabhängig, wie auch die Republik Aserbaidschan und die Republik Armenien) artete der Konflikt 1992-1994 in einem Krieg aus. Hier gelang es den Armenier*innen, die Kontrolle über den Bergkarabach zu erlangen. Seit dem Waffenstillstand in 1994, gibt es keine diplomatischen Beziehungen zwischen Aserbaidschan, Armenien und der Türkei.
Die neueste Eskalation ergab sich durch einen Angriff aserbaidschanischer Streitkräfte an der Kontaktlinie zu Arzach. Dabei wurde auch die Hauptstadt Stepanakert beschossen. Eine entscheidende Rolle im aktuellen Konflikt spielt erneut die Türkei, welche neben Waffenlieferungen auch syrische Militant*innen und Dschihadist*innen als Söldner*innen rekrutiert und in Aserbaidschan stationiert.
Einhergehend mit den pan-türkischen Ambitionen, lässt sich eine destruktive Beteiligung der Türkei in mehreren Konflikten der ganzen Region (u.a. ebenfalls Griechenland) feststellen. Dabei geraten auch die Assyrer*innen immer wieder zwischen die Fronten, wenn es zu Auseinandersetzungen der Türkei mit anderen militärischen Einheiten (bspw. PKK in der Südosttürkei und dem Nordirak, YPG in Syrien) kommt. Da die andauernden Kämpfe in den historischen und noch bewohnten assyrischen Heimatgebieten stattfinden, nimmt die Flucht der Assyrer*innen kein Ende.
Aufgrund der eigenen sowie gemeinsamen historischen und gegenwärtigen Erfahrungen, möchten wir dem armenischen Volk unsere Solidarität bekunden. Auch verstehen wir das Streben der Armenier*innen nach dem legitimen Völkerrecht auf die Selbstbestimmung in der eigenen historischen Heimat. Es ist äußerst wichtig, dass unsere Völker, die von existenzieller Bedrohung ihres Daseins immer wieder betroffen sind, zusammenhalten und füreinander einstehen.
Wir fordern die sofortige Beendigung der türkisch-aserbaidschanischen Offensive gegen Bergkarabach und hoffen auf Frieden. Die Staatengemeinschaft muss der türkischen Aggressionspolitik in der ganzen Region endlich konsequent entgegentreten.
Die Pressemitteilung findet ihr direkt über diesen Link: https://ajmev.org/bergkarabach