Hdoyutho dlo Thume – Einheit ohne Grenzen!
Getreu unseres Mottos „Hdoyutho dlo Thume – Einheit ohne Grenzen!“ machte sich am 29.04.2018 eine Gruppe von AJM-Jugendlichen auf den Weg vom Frankfurter Flughafen in Richtung Russland. Der erste Stopp spät in der Nacht war in Armavir, einer russischen Stadt mit armenischer Geschichte. Dort wurden wir von unseren Gastfamilien sehr freundlich empfangen und verpflegt.
Am nächsten Tag begannen wir früh mit einem gemeinsamen Frühstück im Dorf Urmia, einem ausschließlich von Assyrern bewohnten Dorf im Kaukasus. Urmia ist benannt nach dem gleichen Ort im Iran, welcher einer der ursprünglichen Herkunftsorte der Assyrer ist. Dort findet das alljährliche „Khubba Festival“ statt, welches Assyrer aus umliegenden Städten und Länder anzieht. Das Dorf in Russland wurde 1924 gegründet. Auf dem großen Fußballfeld nahe der Kirche des Dorfes fand ein Fussballturnier statt, an welchem mehrere Mannschaften aus Krasnodar, Rostow und anderen Städten und Dörfern aus der Umgebung teilnahmen. Auch Tänze und Gesang der verschiedenen Gruppen und Kulturen aus der Region wurden aufgeführt. Armenier, Kasachen, Russen und natürlich Assyrer traten in traditionellen Trachten auf und führten ihre traditionellen Tänze vor. Auch politische Amtsträger der umliegenden Städte waren vor Ort und kamen mit uns ins Gespräch. Am Abend begaben sich dann alle zum assyrischen Clubhaus mit Außenbühne, wo Jung und Alt gemeinsam feierten. Dort wurde die ganze Nacht getanzt und gesungen. Erschöpft kehrten wir mit unseren Gastfamilien in die Häuser zurück und ließen den ersten ereignisreichen Tag in unseren Gedanken kreisen.
Der 01.05. ist so wie in Deutschland auch in Russland der Tag der Arbeit. Am Morgen machten wir uns deshalb in die nahegelegene Stadt Kurganinsk auf, wo eine große Parade stattfand, zu der der Bürgermeister uns am Vortag einlud. Mit dem Bürgermeister der Region Kurganinsk und seiner Tochter besuchten wir das Museum der Stadt, ließen uns die Geschichte der für Russland bedeutenden Stadt erzählen. Besonders die beiden Weltkriege waren und sind ein großes Thema in der Erinnerungskultur des Landes. Nach der Parade besuchten wir die türkise russisch-orthodoxe Kathedrale und aßen mit dem russischen Pfarrer und Bürgermeister zu Mittag. Bei traditionell russischer Küche fand ein reger Austausch über Glaube und Kirche zwischen uns und den Würdenträgern statt. Nach dem Rundgang in der Stadt machten wir uns auf den Weg zurück zum Khubba-Festival in Urmia, wo das Finale des Fussballturniers anstand. Am Abend wurden auf der Bühne die Sieger aus Rostow gekürt und wieder bei Tanz und Gesang gefeiert. Hierbei wurden Freundschaften zwischen uns und den russischen Assyrern geknüpft und gemeinsame Erinnerungen geschaffen.
Am letzten Tag des Khubba-Festivals verbrachten wir den Tag im Kulturzentrum der Organisation „Khayadta“, wo auch jedes Jahr das Jugendcamp „Zinda“ (z.dt. „der Funke“) stattfindet und zu dem assyrische Jugendliche aus ganz Russland anreisen. Dort aßen und tranken wir mit den Jugendlichen, lernten neue Tänze, Lebensweisen und Ansichten voneinander und gingen abends für ein letztes Mal zum Club des Dorfes, wo die letzten Besucher verblieben und tanzten.
Donnerstag, der 03.05. war der Tag des Abschiedes von Urmia und dem Khubba-Festival. Schweren Herzens gingen wir unseren Weg und ließen die großen Felder und staubigen Straßen des assyrischen Dorfes hinter uns und fuhren nach Krasnodar. Dort verbrachten wir die Tage bis zum Samstag mit den Assyrern aus der Stadt. Am Donnerstag wurden wir nach einem Treffen mit den Jugendlichen aus Krasnodar spontan zu einem Familiengeburtstag unserer neuen assyrischen Freunden eingeladen. Am Freitag besuchten wir den Pfarrer der assyrischen Kirche des Ostens in Krasnodar, Qasha Botros. Er erzählte uns etwas über den Bau der Kirche und die Geschichte der Assyrer in Russland. Die assyrische Kirche existiert in Russland erst seit Ende der Sowjetunion wieder. Das Gebäude mit ausgebautem Keller wurde komplett von den Gemeindemitgliedern finanziert. Qasha Botros sprach über die Pläne, das Grundstück ordentlich zu pflegen und noch ein Gemeindezentrum zu bauen. Die lange Zeit unter sowjetischer Regierung ließ viele ihre Konfession vergessen. Die Gemeinden sind noch klein, doch sie wachsen stetig.
Am Samstag verabschiedeten wir uns nun auch von Krasnodar und seinen Bewohnern, um nach Moskau zu fliegen und dort die zweite Hälfte unserer Jugendbegegung zu verbringen. In Moskau angekommen wurden wir empfangen und zum Essen zwischen himmelhohe Wolkenkratzer geführt.
Den Sonntag begannen wir mit dem Besuch des Gottesdienstes der assyrischen Kirche des Ostens in Moskau. Nach dem Gottesdienst wurden wir von der Gemeinde und von Qasha Samano in ihrem Gemeindezentrum zum Essen eingeladen und kamen mit den Assyrern aus Moskau ins Gespräch. Dort lernten wir auch die assyrische Sängerin Madlen Ishoeva kennen, welche uns versprach nach Deutschland zu kommen und uns zu besuchen. Die assyrische Kirche in Moskau beherbergt eine eigene Bibliothek im Dachgeschoss mit verschiedensten Büchern und Gegenständen zur Geschichte der Assyrer in Russland und vielen anderen Themen.
Den Montagmittag verbrachten wir in der Evropeysky Mall in Moscow mit ihrer futuristischen Innendekoration. Am Nachmittag wurden wir zur Universität von Moskau gebracht, wo sich auch eine Aussichtsplattform mit Blick auf ganz Moskau befand. Später bereiteten wir uns auf den Shara d Mar Gevargiz vor, einer Party zu Ehren des heiligen Georg. In Russland haben die Familien eine starke Erinnerungskultur an ihre Heiligen. Diese Kultur hat ihren Ursprung noch vor der Flucht aus der Heimat von vor 150 bis 200 Jahren. Die Dörfer oder Familien hatten ihre persönlichen Schutzheiligen oder Kirchenheiligen, welche ein fester Bestandteil für sie sind. Bis heute feiern sie dann den Tag dieser Heiligen in Form von solchen Veranstaltungen.
Am Dienstag, den 08.05.2018 folgten wir der Einladung von Pfarrer Samano zu einem Essen im Hof, einer Wohngegend im Zentrum von Moskau, die lange fast ausschließlich von Assyrern bewohnt war, welche nach dem Genozid im osmanischen Reich aus Hakkari kamen und sich dort ansiedelten. Im Garten befand sich eine kleine Hütte, die den Assyrern als Ort der Versammlung dient. Uns wurde erzählt, dass dort Hochzeiten, Geburtstage und Beerdigungen schon immer gefeiert wurden und werden. „Wir lachen, feiern und weinen hier zusammen.“ sagte uns einer der Bewohner dort. Es wurde viel über den Austausch zwischen Assyrern der verschiedenen Länder in der Diaspora geredet. Auf beiden Seiten wurde der Wunsch deutlich, dass die Assyrer aller Länder mehr miteinander in Kontakt sein sollten.
Später gingen wir mit unseren Freunden auf die bekannte Arbat-Straße. Diese lange Straße ist gesäumt von der Altstadt Moskaus und beherbergt viele bunte Läden und Restaurants. Straßenkünstler reihen sich aneinander und zeigen ihre Talente. Bis zum späten Abend war dort viel los und es gab reichlich zu sehen.
Der 09. Mai ist ein großer Tag in ganz Russland. Hier wird zu Ehren aller im zweiten Weltkrieg gefallenen Soldaten der Sieg Russlands über das Nazi -Regime gefeiert. Millionen von Menschen gehen jedes Jahr überall in Russland stundenlang auf die Straßen und halten Bilder ihrer im Krieg gefallenen Vorfahren sowie Flaggen ihre Völker in die Luft.
Auch wir haben uns angeschlossen und mit unseren assyrischen Freunden ihre und unsere assyrischen Vorfahren geehrt, welche im Krieg für Russland gekämpft haben und gefallen sind. Das Schöne war, dass viele auf unsere Flagge aufmerksam geworden sind und uns nach unserer Herkunft gefragt haben. Dort, auf den Straßen von Moskau, wurde deutlich, dass ein Miteinander aller Völker in Frieden durchaus möglich ist.
Unseren letzten Abend in Russland ließen wir gemütlich mit unseren Freunden ausklingen. Der Abschied am nächsten Tag fiel allen sichtlich schwer. Alle versprachen einander ein baldiges Wiedersehen.
Getreu unserem Motto „Hdoyuto dlo Thume“, Einheit ohne Grenzen, haben wir durch diese Jugendbewegnung Sprachbarrieren überwunden, kulturelle Unterschiede komplett zur Seite gelegt und sind eins geworden mit unseren assyrischen Brüdern und Schwestern in Urmia, Krasnodar und Moskau.
Wir danken allen Organisatoren auf beiden Seiten, dass sie uns so eine unvergessliche Fahrt ermöglicht haben.
Robina Lajin (AJM-Teilnehmerin)